Es ist schon einige Jahre her. Während meines Studiums der Betriebswissenschaftslehre absolvierte ich ein Praktikum in Kawasaki. Und da ich früher als Reiseverkehrskauffrau tätig war hatte ich mich auch darum bemüht mein Fahrrad nach Japan mitnehmen zu können. Ich hatte alles vorab mit der Fluggesellschaft geregelt und mir schriftlich bestätigen lassen.
Also packte ich all mein Gepäck für 4 Monate zusammen und auch mein Fahrrad und fuhr alleine mit dem Zug zum Flughafen nach Frankfurt. Ich stellte mich am Check-Inn an, legte mein Flugticket vor und auch die schriftliche Bestätigung für das Sondergepäck Fahrrad. Und was soll ich sagen. Man erklärte mir, dass diese Bestätigung nicht gültig ist, aus welchen Gründen auch immer und ich das Fahrrad so als Sondergepäck nicht mitnehmen kann. Es war ein quietschgelbes Canondale, dass ich mir von meinem ersten Gehalt gekauft hatte und ich hing sehr daran. Man erklärte mir ich könnte das Fahrrad schon mitnehmen, aber dann hätte ich es als Übergepäck aufzugeben und der Preis berechnet sich je kg. Zu dem errechneten Preis hätte ich mir 2 neue Fahrräder kaufen können. Da ich alleine zum Flughafen angereist war, konnte ich auch nicht sagen „Liebe Begleitung nimmst Du bitte das Fahrrad wieder mit nach Hause zurück“. Nun stand ich da im Gewimmel des großen Flughafens Frankfurt, mit einem Fahrrad, von dem ich nicht wusste was ich damit machen sollte. Meine nächste Überlegung war, das Fahrrad zur Gepäckaufbewahrung zu geben. Für 4 Monate aber auch nicht wirklich eine preisliche Alternative. Der Abflug rückte immer näher und ich versuchte noch einmal mit der Dame am Schalter zu diskutieren. Aber die strikte Antwort war, entweder ich checke nun ein und zwar ohne Fahrrad oder das Flugzeug fliegt eben ohne mich los. Und das wollte ich auch nicht riskieren.
Hinter mir stand ein Ehepaar. Die Frau flog ebenfalls nach Japan. Der Mann sprach mich an und erklärte mir, dass sie hier in der Nähe vom Flughafen wohnen und ich könnte ihm doch mein Fahrrad geben, er würde es in seine Garage stellen und mir am Tag meiner Rückkehr wieder zum Flughafen bringen. Also gab ich ihm mein Fahrrad und innerlich verabschiedete ich mich auch schon davon. Es war noch nicht so alt, es hatte mich viel erspartes Geld gekostet und es war schon viel in der Welt mit mir unterwegs. Es hatte also auch einen ideellen Wert für mich. Und so flog ich ohne Fahrrad nach Japan. Das war eine gute Entscheidung, denn die Zeit in Japan war einfach klasse und hat einen immens hohen Erinnerungs- und Erfahrungswert für mich. Es war eine Zeit, die ich nicht missen möchte. Und dann kam der Zeitpunkt, zu dem ich nach Frankfurt zurückflog. Und unglaublich, dieses Ehepaar war tatsächlich am Ausgang als ich am Flughafen ankam. Sie brachten mir mein heißgeliebtes Fahrrad zurück. Dies ist nun schon viele Jahre her, aber ich habe das Rad immer noch, wenn auch nur noch als Stadtfahrrad. Und ich denke immer wieder an diese Menschen, die mir mit dieser kleinen Aktion so einfach so viel Freude bereitet haben. Und das ist eine der Erinnerungen, die ich habe, wenn ich mich auf dieses Fahrrad setzte. Und wer weiß wie alt ich bin, der weiß auch wie alt das Fahrrad ist. Auch wenn es immer wieder „moderniesiert“ werden muss, ich liebe es einfach und Ich hoffe immer, dass es mir nicht geklaut wird, weil so viele Erinnerungen daran hängen.
Aber wer hätte gedacht, dass diese mir vollkommen wildfremden Menschen mein Fahrrad 4 Monate aufbewahren und, sich dann extra die Mühe machen an den Flughafen zurück zu fahren, nur um mir mein Fahrrad zu bringen. Nur um mich glücklich zu machen. Würdet Ihr so etwas machen? Oder würdet Ihr einfach wegschauen und Euch denken, dass ist doch nicht mein Problem? Würdet Ihr Eure Sachen wildfremden anvertrauen?
Text & Foto © by DUitnow (Daniela Ullrich) 2018